Wir von Amnesty International Hamburg haben das Ziel, Menschen für das Thema Misogynie (Frauenfeindlichkeit) zu sensibilisieren und für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft zu kämpfen. Wichtige Daten zu diesem Thema sind der internationale Frauentag (08. März), der in manchen deutschen Bundesländern bereits ein gesetzlicher Feiertag ist und der Tage gegen Gewalt an Frauen am 25. November.
Im Rahmen unserer Antidiskriminierungskampagne wollen wir bei Amnesty Hamburg einen thematischen Beitrag zum Thema Misogynie und Alltagssexismus leisten und die Arbeit von Amnesty zu Frauenrechten vorstellen.
Antidiskriminierung – Schwerpunkt Misogynie
Was ist Misogynie und warum ist es heute relevant?
Misogynie (oder auch Frauenfeindlichkeit) ist die Diskriminierung von Frauen und Weiblichkeit. Dabei können auch Menschen, die keine Frauen sind, Misogynie erfahren, wenn ihr Umfeld sie als weiblich liest oder ihnen weibliche Attribute zuspricht, welche als etwas Schlechtes gewertet werden. Oft wird oft auch der Begriff Sexismus verwendet, da die Gesellschaft an strengen Geschlechterrollen festhält und z.B. ein Mann, der gerne Röcke trägt, abgewertet wird oder ihm das Mannsein oder die Heterosexualität abgesprochen wird. Auch hier sind viele Überschneidungen zu anderen Diskriminierungsformen (Intersektionalität) wie z.B. dem Rassismus, dem Ableismus und der Queerfeindlichkeit vorhanden, über die wir bereits in früheren Beiträgen informiert haben.
Der Feminismus setzt sich für die Gleichberechtigung aller Geschlechter ein und versucht, das Ungleichgewicht durch die Abwertung von Frauen wieder auszugleichen. Dabei kämpft der Feminismus insbesondere für die Enttabuisierung von weiblichen Attributen wie etwa die Menstruation oder auch das Weinen bei Männern. Aktivist*innen des Feminismus werden Feminist*innen genannt, während Gegner*innen somit Antifeminist*innen genannt werden.
Wie kann sich Misogynie äußern?
Dabei kann Antifeminismus verschieden auftreten z.B. durch Whataboutism (bei Gewalt gegen Frauen, das Thema Gewalt gegen Männer aufbringen um vom Thema abzulenken) oder Victim Blaming (einer Frau, die Schuld für Diskriminierung und Gewalt an ihr zuschieben und Täter*innen in Schutz nehmen). Auch heute versuchen die neuen Rechten Frauenrechte abzuschaffen, während sie sich gleichzeitig als frauenfreundlich darstellen. Dabei halten Rechte an einem sehr konservativen und rückschrittlichen Frauenbild fest, nämlich der weißen heterosexuellen Hausfrau, die keine Rechte hat und vom Mann abhängig ist. Weiß und hetero, da Schwarzen Frauen und lesbischen Frauen bis heute das Frausein und oft die Weiblichkeit abgesprochen wird. Schließlich nehmen sie im Patriarchat eine schlechtere Rolle ein.
Der Hass auf Frauen kann subtil sein und sogar gesellschaftlich als ok erachtet werden. Sexistische Aussagen können normalisiert sein und kaum als solche anerkannt werden. Etwa die Frage „Hast du deine Tage?“ darauf, dass eine Frau ihren Unmut über etwas äußert, egal ob sachlich oder emotional, laut oder leise, ist eine misogyne Äußerung. Denn weiblich gelesene Personen werden gerne als hormongesteuert und überemotional angesehen für Charakteristiken, die bei männlich gelesenen Menschen als dominant, ehrgeizig, durchsetzungsfähig oder Ähnliches gesehen werden.
Misogynie kann allerdings auch dazu führen, dass Menschen ihre Machtposition so ausüben, dass sie weiblich gelesene Personen unterdrücken und ausnutzen. Formen der Machtausübung sind etwa psychische, körperliche und sexuelle Gewalt. Ebenso wird seit Jahrhunderten strukturelle Gewalt genutzt in Form von finanzieller Abhängigkeit zum Beispiel, sodass ein Opfer auf den/die Täter*in angewiesen ist und die Gewalt „akzeptiert”. Strukturelle Gewalt besteht nicht nur in Form von Rechtslagen, sondern auch die Strafverfolgung spielt eine Rolle wie z.B. in der geringen Verurteilungsquote bei sexueller Nötigung oder auch die institutionelle Gewalt z.B. in der Medizin, etwa bei der unterschiedlichen Behandlung von Patient*innen.
Was können WIR gegen Misogynie und Sexismus im Alltag tun?
Grundsätzlich ist es wichtig, frauenfeindliche Aussagen auch als solche zu benennen. Insbesondere männlich gelesene Personen haben oft einen stärkeren Einfluss auf andere männlich gelesene Personen, die misogyne Aussagen treffen. Hier sind ein paar Tipps, was jede*r einzelne von uns tun kann, um Sexismus und Misogynie im Alltag entgegenzuwirken:
- Selbstreflektion:
Wie beim Rassismus und Ableismus werden uns diskriminierende Ansichten unterbewusst durch unser Umfeld beigebracht. Wir verinnerlichen (auch internalisieren genannt) den Glauben, dass eine weiße, nicht behinderte, männliche Person als Status quo angesehen wird. Selbst Betroffene nehmen misogyne Narrative an und richten Frauenhass gegen andere Betroffene, um sich selbst aufzuwerten. - Online Aktivismus:
Melde misogyne Kommentare und Posts. Warne deine Mitmenschen vor bekannten Personen, die misogyne Inhalte verbreiten. Einige Influencer*innen reden online von “männlicher und weiblicher Energie” (moderne Version von traditionellen Geschlechterrollen), einige sind sexistische Dating Coaches und Incels (Incel steht für involuntary celibate und ist eine Bezeichnung für Männer, die Frauen die Schuld an ihrer Einsamkeit geben). - Intersektionaler Feminismus:
Es gibt verschiedene Formen des Feminismus und Feminist*innen können verschiedene Schwerpunktthemen haben. Der intersektionale Feminismus versucht alle Personen, die vom Patriarchat betroffen sind, zu unterstützen. Dabei wird ein besonderes Augenmerk auf mehrfach diskriminierte Menschen gelegt. Feminismus, der eine Menschengruppe wie z.B. trans* Personen oder Sexarbeiter*innen diskriminiert, ist kein Feminismus. - Patriarchale Strukturen erkennen:
Patriarchale Strukturen existieren in fast allen Lebensbereichen. Ob es nun die Gender Pay Gap (Frauen werden für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt als Männer) ist, der Gender Care Gap (Frauen übernehmen wesentlich mehr unbezahlte Pflegearbeit und Kindererziehung), die Probleme für Frauen im Gesundheitssektor oder auch Rape Culture. Rape Culture beschreibt Strukturen, in denen vor allem männliche Täter mehr in Schutz genommen werden während die Opfer für vermeintliches Fehlverhalten verurteilt werden, wobei das Spektrum von Catcalling bis hin zu Vergewaltigung und Femizid reicht. - Veranstaltungen besuchen und unterstützen:
Nimm an Veranstaltungen teil, die sich mit dem Thema Misogynie und Feminismus beschäftigen, wie zum Beispiel dem internationalen Frauentag (jährlich am 08. März) und dem Tag gegen Gewalt an Frauen (jährlich am 25. November). Oder unterstütze online Aktionen zu diesen Tagen und Themen. Mach auf Fälle aufmerksam, die misogyne Gewalt beinhalten.
Engagement für Frauenrechte bei Amnesty International
Die Themenkoordinationsgruppe Menschrechtsverletzungen an Frauen (TheKo MaF) befasst sich weltweit mit Fällen, in denen Frauen die Menschenrechte verwehrt bleiben oder ihre Rechte eingeschränkt oder missachtet werden. Dabei sind Frauen von Menschenrechtsverletzungen in ganz besonderem Maße betroffen – einfach als Folge der Tatsache, dass sie Frauen sind. Zwar haben die Regierungen der meisten Länder internationale Vereinbarungen zum Schutz der Frauen unterzeichnet (die wichtigste ist die CEDAW, die „Antidiskriminierungs-Konvention“ der UNO). Um deren Durchsetzung ist es jedoch vielerorts schlecht bestellt. Wichtige Themenschwerpunkte der TheKo MaF sind dabei unter anderem:
- Frauenhandel in die Arbeitsausbeutung, in die Ehe und in die sexuelle Ausbeutung
- Familiäre/häusliche Gewalt gegen Frauen
- Flüchtlingsfrauen und Migrantinnen
- Frauen in bewaffneten Konflikten und Nachkriegssituationen
- Menschenrechtsverteidigerinnen
- Müttersterblichkeit
- Sexuelle und Reproduktive Rechte von Frauen (inbes. Schwangerschaftsabbrüche)
- Verbrechen im Namen der Ehre (auch Säureattentate)
- Weibliche Genitalverstümmelung (FGM)
Beispiele für aktuelle Aktionen, Kampagnen und Berichte von Amnesty International:
- AKTIONSWOCHE: Schwangerschaftsabbrüche raus aus dem Strafgesetzbuch
- Frau. Leben. Freiheit. Die Menschenrechtslage der Frauen im Iran (Factsheet, Hintergrundinformation, Pressemitteilung vom 11.09.2024)
- #HastaSerEscuchadas / #UntilWeAreHeard. Geschlechtsspezifische Gewalt in Mexiko (Factsheet, Bericht [englisch])
- URGENT ACTIONS: Setzt euch online gegen Menschenrechtsverletzungen an Frauen ein!
Unsere Literatur- und Medienempfehlungen
Filme & Serien:
- Do revenge
- self made
- orange is the new black
- the handmaid’s tale
- a girl walks home alone
- promising young woman
- Moxie – Zeit, zurückzuschlagen
- Brave Miss World
- Unbelievable
- Glow
- Saving Face
- The Woman King
Podcasts:
- Tara sagt was
- Pissy – der Missy Magazine Podcast
- Das böss F-Wort
- Feminismus für alle. Der Lila Podcast.
- Fettcast
- Die Alltagsfeministinnen
- Feuer & Brot
Bücher:
- Leonie Schöler – Beklaute Frauen
- Diverse Autor*innen – Unlearn Patriarchy (2 Bücher)
- Liv Strömquist – Der Ursprung der Welt
- Tara Louise Wittwer – Sorry, aber…
- Sabina Schwachenwalde – Ungleich behandelt
- Sibel Schick – weißen Feminismus canceln
- diverse Autor*innen – Heute ist ein guter Tag, das Patriarchat abzuschaffen
- Franziska Schutzbach – Die Erschöpfung der Frau
- Asha Hedayati – Die stille Gewalt
- Margarete Stokowski – untenrum frei
- Audre Lorde – Sister Outsider
- Shon Faye – Die Transgender Frage
- Seyda Kurt – Hass
- Moshtari Hilal – Hässlichkeit
- Caroline Criado-Perez – Unsichtbare Frauen