Verfolgung von JournalistInnen in der Türkei
Gemeinsam mit der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) und der Interkulturellen Werkstatt (IKW) veranstaltet die Amnesty Koordinationsgruppe Türkei am 6. Mai um 19 Uhr im Gewerkschaftshaus (Besenbinderhof 60 in Hamburg) eine Informationsveranstaltung mit dem kurdischen Journalisten Nedim Türfent, der über 6 Jahre in der Türkei inhaftiert war.
Die Türkei nimmt im weltweiten Vergleich einen Spitzenplatz bei der Verfolgung von JournalistInnen ein. Ca. 30 JournalistInnen befinden sich aktuell in Haft, gegen zahlreiche weitere laufen Prozesse. Nach einem Bericht der Organisation Media and Law Studies Association (MLSA) wurden im Jahr 2023 gegen 314 JournalistInnen Anklage erhoben und 23 wurden zu insgesamt 67 Jahren, 8 Monaten und 12 Tagen Haft verurteilt.
Betroffen sind besonders häufig kurdische JournalistInnen, die über Menschenrechts-verletzungen in den kurdischen Gebieten der Türkei berichten. Sie sind Festnahmen, Misshandlungen und Verfahren wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ oder „Terrorpropaganda“ ausgesetzt.
Unser Gastredner Nedim Türfent ist dafür ein typisches Beispiel. Er arbeitete als Korrespondent für eine kurdische Nachrichtenagentur in der Provinz Hakkari im Südosten der Türkei. Im August 2015 veröffentlichte er eine Videoaufnahme, auf der zu sehen ist, wie eine Gruppe von türkischen Sicherheitskräften mehrere kurdische Männer auf den Boden geworfen und ihnen die Hände gefesselt hatte. Man hört Gebrüll, rassistische Beschimpfungen und Drohungen. Gegen Ende des Videos ist folgender Satz zu hören: „Ihr werdet sehen, wie mächtig die Türken sind!“ Nach dieser Veröffentlichung erhielt Nedim Türfent Todesdrohungen. Am 12. Mai 2016 wurde er festgenommen. Seine Angehörigen wurden nicht benachrichtigt und seine Festnahme wurde erst nach öffentlichem Druck eingeräumt. Er berichtete über Misshandlungen, Drohungen und sexuelle Belästigung in Polizeihaft. Nach über einem Jahr Untersuchungshaft wurde er wegen angeblicher Mitgliedschaft in der PKK angeklagt. Die Zeugen, die ihn belastet hatten, erklärten bis auf eine Ausnahme, sie hätten ihre Aussagen unter Folter und Druck gemacht, die einzig verbliebene Zeugenaussage erwies sich als nachweislich falsch. Im Dezember 2017 wurde Nedim Türfent wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ zu 8 Jahren und 9 Monaten Haft verurteilt, obwohl keinerlei Beweise vorlagen. Am 29.11.2022 wurde er nach 6 ½ Jahren Haft auf Bewährung entlassen. Während seiner Haftzeit verbracht er 18 Monate in Isolationshaft.
Derartige Terrorismusvorwürfe sind die häufigsten Anklagepunkte gegen JournalistInnen. Weitere Anklagen und Verurteilungen gründeten sich auf Vorwürfe wie z.B. Beleidigung des Staatspräsidenten oder – bei kritischer Berichterstattung über Strafverfahren – Versuch der Beeinflussung der Justiz. Oft werden JournalistInnen auch wegen Verstoßes gegen das Demonstrations- und Versammlungsgesetz angeklagt, wenn sie Demonstrationen beobachten, um darüber zu berichten.
Ein weiteres Instrument zur Verfolgung von JournalistInnen ist das 2022 verabschiedete „Desinformationsgesetz“. Dies belegt die Veröffentlichung „falscher Informationen über die innere und äußere Sicherheit in der Absicht, Angst oder Panik zu erzeugen“, mit Haftstrafen bis zu drei Jahren. Die bisher auf dieser Grundlage gegen JournalistInnen eingeleiteten Verfahren zeigen eine willkürliche Auslegung, die darauf abzielt, kritische Berichterstattung juristisch zu verfolgen.
V.i.S.d.P.: Amke Dietert, AI Hamburg, Kleine Seilerstr. 1, 20359 Hamburg